Auf dieser Seite finden Sie Beiträge rund um den Winter und die Weihnachtszeit im englischen Regency.
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1814: Der letzte Frostjahrmarkt auf der Themse
26.02.2025
Bereits aus der Antike und dem Mittelalter existieren Berichte über die zugefrorene Themse. In London fanden seit dem 17. Jahrhundert zu diesen Gelegenheiten Frostjahrmärkte auf der Eisdecke der Themse statt, die zahlreiche Attraktionen boten – beispielsweise wurde 1814 ein Elefant über das Eis geführt –, daneben verkauften Händler Waren, Speisen und Getränke, es wurde getanzt und musiziert.
Im 18. Jahrhundert fror die Themse in den Jahren 1709, 1716, 1740, 1776 und 1795 zu, danach nur noch ein einziges Mal: 1814. Die Menschen im Regency konnten es nicht wissen, doch sie waren die letzten, die einen Frostjahrmarkt auf der Themse erleben konnten.
Das obige Bild wurde im Mai 1814 gedruckt und zeigt vor dem Hintergrund der St. Paul’s Cathedral das Treiben auf dem Eis inklusive Zelten, Verkäufern, Musikern, spielenden Kindern und einer großen Schaukel. Während des Forstjahrmarkts von 1814 stellten zahlreiche Drucker ihre Druckerpressen auf dem Eis auf und druckten Erinnerungsgedichte; der Drucker George Davis druckte gar ein ganzes Buch: Frostiana; or A History of the River Thames in a Frozen State.
Durch verschiedene bauliche Maßnahmen hat sich seither die Fließgeschwindigkeit der Themse erhöht, sodass sie seit 1814 nie mehr vollständig zufror.
Das Weihnachtsdinner im Regency
18.12.2024
Beim Weihnachtsdinner war der Tisch reicher Familien mit Zuckergussskulpturen geschmückt. Es gab Truthahn oder Gans, in gehobenen Kreisen auch Wild.
Danach gab es den traditionellen Christmas Pudding (Plumpudding, siehe Bild). Es ist kein „Pudding“ im heutigen Sinn und war ursprünglich keine Süßspeise. Der Pudding musste mindestens 2 Tage im Vorhinein zubereitet werden. Zutaten waren u.a. Trockenfrüchte, Orangen- und Zitronensaft, etwas Brandy, Mehl, Gewürze, Zimt, Rindertalg, Zucker, Weißbrotkrumen, gehackte Mandeln und Eier. Er wurde bei Tisch mit brennendem Brandy übergossen (flambiert). In Frederic Nutts „The imperial and royal cook“ (1809) findet sich ein Originalrezept.
Wein war oft mit Muskatnuss gewürzt und erwärmt und hieß dann „Negus“. Dazu konnte man noch Zimtstangen, Gewürznelken und Sternanis geben. Ähnlich dem Negus war der Weihnachtspunsch, ebenfalls ein gewürzter heißer Wein, der in einer großen Schüssel mit Äpfeln serviert wurde. Daneben gab es Eggnog, eine Art Eierpunsch aus Milch, Eiern, Brandy (alternativ Madeira oder Sherry) und Gewürzen wie Muskat oder Zimt. Eine ältere Variante des Eggnogs bzw. dessen Vorläufer war unter dem Begriff „Posset“ bekannt.
Das Weihnachtsfest im Regency
18.12.2024
Die Kirchen und Häuser wurden am 24.12. mit Stechpalme, Lorbeer, Efeu, Mistelzweigen und anderen immergrünen Pflanzen geschmückt. Auch die ärmeren Familien schmückten ihr Heim mit Grünzeug. Am 6.1. wurde das Grünzeug verbrannt, das brachte Glück fürs neue Jahr. Christbäume gab es erst in der viktorianischen Zeit, obwohl es diese Tradition bereits um 1800 in Deutschland gab.
Die eigentlichen Weihnachtsfeierlichkeiten begannen mit dem Anzünden des „Yule log“ (Julklotz, Christklotz). Am 24.12. suchte man sich einen großen Holzklotz und brachte ihn – oft mithilfe von Pferden – nach Hause und zündete ihn mit den Resten des Julklotzes vom vergangenen Jahr an, dies sollte Glück bringen. Dazu wurden Lieder gesungen und Geschichten erzählt, und die Kinder tanzten. Der Klotz sollte während der zwölf Raunächte brennen, bis 6.1. Man ließ ihn nicht völlig verbrennen, sondern behielt die Reste auf für das Anzünden des Julklotzes im nächsten Jahr.
Am Weihnachtsabend, dem 24.12., saß man zusammen. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde eine große Weihnachtskerze angezündet, die die ganze Nacht brannte und die Gäste im kommenden Jahr vor Schaden schützen sollte. Die Familie sang gemeinsam Lieder, erzählte Geschichten und spielte Charaden, Blinde Kuh und Snapdragon (siehe Beitrag unten).
Der 25.12. war ein nationaler Feiertag, den die Gentry auf ihren Landsitzen verbrachte. Er wurde ruhig und religiös verbracht. Man ging in die Kirche, spielte Spiele und aß ein Weihnachtsdinner (siehe Beitrag oben).
In Jane Austens „Persuasion“ ist in Kapitel 14 die Beschreibung eines Weihnachtsfestes zu finden:
„Auf der einen Seite befand sich ein Tisch, an dem einige plappernde Mädchen Seide und Goldpapier zerschnitten; auf der anderen Seite standen Böcke und Tabletts, die sich unter dem Gewicht der Sülze und der kalten Pasteten bogen, wo ausgelassene Jungen wild feierten; das Ganze wurde durch ein loderndes Weihnachtsfeuer vervollständigt, das entschlossen zu sein schien, sich trotz des Lärms der anderen Gehör zu verschaffen.“*
Man machte sich gegenseitig kleine Geschenke innerhalb der Familie und guten Freunden. Die Geschenke wurden traditionellerweise bereits am 6.12. (St. Nikolaus) ausgetauscht. Von Emma Austen Leigh, der Ehefrau von Jane Austens Neffen James Edward Austen Leigh, sind Listen von Geschenken überliefert, die sie als Jugendliche erhalten hat, darunter ein Tamburin, Kompass, Schmuckkästchen aus Rosenholz, Schmuck (Ringe, Goldkette, Korallenkette, selbstgemachte blaue Perlenkette, Goldohrringe, Korallenbrosche), Ledergeldbörse, Porzellankerzenleuchter, Thermometer, Amethystkreuz, Nadelschachtel und selbstgemachtes Nadelkissen, selbstgemachter Pfauenfederfächer und ein Opernglas aus Elfenbein. Daneben waren Bücher, Musikstücke und Materialien für das Schreiben, Zeichnen, Malen etc. beliebte Geschenke.
* “On one side was a table occupied by some chattering girls, cutting up silk and gold paper; and on the other were trestles and trays, bending under the weight of brawn and cold pies, where riotous boys were holding high revel; the whole completed by a roaring Christmas fire, which seemed determined to be heard in spite of the noise of the others.”
Weihnachtliche Kinderspiele
19.12.2023
Zur Weihnachtszeit wurden in den Familien folgende Spiele besonders gern gespielt:
Oranges and Lemons (Orangen und Zitronen)
Zuerst melden sich zwei Freiwillige (Erwachsene oder Kinder), die sich leise ausmachen, wer von beiden die „Orange“ und wer die „Zitrone“ ist. Danach stellen sie sich einander gegenüber auf und formen mit ihren Armen einen Bogen, unter dem die anderen Kinder, die einander am Gewand halten, durchlaufen und dabei in „Endlosschleife“ das „Oranges and Lemons“-Lied singen, von dem es zahlreiche regionale Varianten gab (Textversionen siehe Wikipedia-Artikel „Oranges and Lemons“).
Jedes Mal beim Wort „Head” geben die Spieler, die den Bogen formen, die Arme nach unten und „fangen“ das Kind, das gerade unter dem Bogen durchlaufen wollte. Sie fragen es leise, ohne dass es die anderen hören können: „Orangen oder Zitronen?“ Je nachdem, was der „Gefangene“ antwortet, stellt er sich hinter die „Orange“ oder die „Zitrone“. Das Spiel geht so lange, bis alle Spieler gefangen wurden und hinter der „Zitrone“ bzw. der „Orange“ in einer Reihe stehen, sich gegenseitig an der Taille fassend. Nun ziehen beide Spielerketten in die entgegengesetzte Richtung und versuchen, die gegnerische Kette über die (imaginäre oder aufgezeichnete) Mittellinie zu ziehen.
Snapdragon (Feuerdrache)
In einer weiten, flachen Schale wurde Brandy erhitzt, Trockenfrüchte (z.B. Rosinen) hineingeworfen und der Brandy angezündet. Anschließend mussten die Spieler reihum versuchen, mit bloßen Fingern möglichst viele Früchte herauszufischen und zu essen. Dazu wurde ein spezielles „Snapdragon-Lied“ gesungen. Wer die meisten Früchte aß, hatte gewonnen. Für das Spiel wurden die Lichter gedimmt oder gelöscht und der Raum abgedunkelt.
Hatten nach Weihnachten daher alle Kinder Brandblasen an den Fingern? Mitnichten! Brandy brennt bei deutlich niedrigeren Temperaturen als eine Kerze.
Charade (Scharade)
Scharaden waren das ganze Jahr über beliebte Gesellschaftsspiele, nicht nur zur Weihnachtszeit. Sie wurden nicht wie heute gespielt, indem ein Wort mit Mimik und Gestik dargestellt wurde, sondern es war ein Wortspiel, bei dem der gesuchte Begriff verbal verschlüsselt wurde und sich das Rätsel auch reimen musste. Eine typische Scharade teilte den Begriff in zwei oder drei Teile, die einzeln erraten werden mussten, um zusammengesetzt den gesuchten Begriff zu ergeben.
Bildnachweise
Die auf dieser Seite verwendeten Bilder stammen vom Metropolitan Museum of Art sowie vom Rijksmuseum Amsterdam und befinden sich in der Public Domain. Mit Klick auf das Bild gelangen Sie zum jeweiligen Bild auf der Museumsseite.
Textquellen
Meine Recherchen stützen sich vorwiegend auf die folgenden Quellen. Je nach Thema ziehe ich fallweise auch weitere Literatur (wissenschaftliche Fachartikel, Nachschlagewerke etc.) heran.
Literatur:
- Ian Mortimer, Im Rausch des Vergnügens. Eine Reise in das England von Jane Austen und Lord Byron (Verlag Piper, 2022)
- Jennifer Kloester, Georgette Heyer’s Regency World (Verlag Sourcebooks, 2010)
Blogs:
- „Regency Redingote“, https://regencyredingote.wordpress.com/ (2019 eingestellt)
- „Regency Reader“, https://regrom.com/
- „Jane Austen’s World“, https://janeaustensworld.com
- „Risky Regencies“, http://www.riskyregencies.com
- „Regency Researcher”, http://www.regencyresearcher.com
- „Historical Hussies”, http://historicalhussies.blogspot.com
- „Reading the Regency”, https://www.wattpad.com/story/48880602-reading-the-regency
- Blog des Jane Austen Centre, https://janeausten.co.uk/
sowie diverse Blogs von Regency-Autorinnen