Ein Earl für Miss Alice (Lost in Regency 4)

Du darfst dein Herz nicht verlieren. Nicht schon wieder, und vor allem: Nicht schon wieder an den Falschen. Und George war der Falsche, falscher ging es gar nicht mehr.
 
England/Schottland 1818. Nach zwei bitteren Enttäuschungen und einem gebrochenen Herzen hat Alice Landon genug von der Liebe. Um auf andere Gedanken zu kommen, besucht sie ihre Tante in Schottland, und ihr Plan scheint aufzugehen: Als sie die geheimnisvolle Geschichte von Lord Hades und dem mysteriösen Tod seiner Gemahlin hört, ist ihre Neugier umgehend geweckt. Unbeeindruckt von düsteren Gerüchten beschließt Alice, die Wahrheit herauszufinden, hat sie doch genügend Schauerromane gelesen, um über Helden, Schurken und finstere Mächte bestens Bescheid zu wissen. Doch dann zwingen widrige Umstände Alice dazu, ausgerechnet in Lord Hades‘ Haus Schutz zu suchen – und der Hausherr ist wenig begeistert davon.

 

Lord George Shade, genannt Lord Hades, eilt ein düsterer Ruf voraus, ist er doch am Tod seiner schönen Gemahlin angeblich nicht ganz unschuldig. Von der Gesellschaft gemieden, lebt er mit seinem Sohn und seiner gehörlosen Tochter zurückgezogen auf seinem Landsitz – bis eines Nachts, triefend nass vom Regen, eine fremde junge Dame in seiner Eingangshalle steht und ihn um Hilfe bittet. Widerwillig stellt er sie als Gouvernante seiner Kinder ein. Die eigensinnige Alice raubt ihm den letzten Nerv – und weckt zugleich längst verloren geglaubte Gefühle in ihm. Doch George weiß, dass Liebe für ihn nichts als Kummer und Verlust bedeutet. Denn wer könnte einen Mann wie ihn wirklich lieben? 


Leseprobe siehe unten

Aufgefächertes Buch

Erscheint im Februar 2025

Leseprobe

 

PROLOG

Schottland
August 1818
 

Der Sturm heulte durch die verkümmerten Birken und zerrte an Alices nassen Röcken. Es war finster, ihr war kalt, und sie hatte Angst. 

    Mit aller Macht stemmte sie sich gegen die Windböen, die sie beinahe von dem schmalen Fußweg trieben, der durch den Moorwald führte. Donnerschläge zerrissen die Luft, Blitze zuckten über den nächtlichen Himmel und tauchten das Moor in ein gespenstisches Licht, bevor es erneut in völliger Finsternis versank. Atemlos presste Alice ihre Ledertasche enger an sich. Knorrige Äste peitschten gegen den Nachthimmel und griffen wie die knochigen Klauen riesiger Schattengestalten nach ihr, als wetteiferten sie darin, sie in einen der Tümpel zu ziehen, deren sturmgepeitschte Oberflächen im Licht der Blitze wie Irrwische aufleuchteten. 

   Vom Weg abzukommen und im Moor zu versinken, wäre zweifellos ein passendes Ende für die tragische Heldin eines Schauerromans! Doch Alice hatte nicht vor, in dieser Nacht und auf diese Weise den Tod zu finden, auch wenn die vergangenen Stunden ihres Lebens einem Schauerroman ziemlich nahe kamen. 

   Es war wirklich kaum zu fassen. Dabei hatte sie doch nur Tante Jane in Schottland einen Besuch abstatten wollen. Ein höchst harmloses Unterfangen, mochte man denken! Stattdessen lief sie nun mutterseelenallein mitten in der Nacht durch einen tückischen Sumpf. 

   Und als wäre all das nicht schon genug, prasselte unentwegt Regen auf sie ein. Die Krempe ihres Hutes hing völlig durchweicht herab, und sie war nass bis auf die Haut. Pelisse und Kleid klebten regelrecht an ihren Beinen, und ihre feuchten Lederstiefelchen waren ebenso schlammbedeckt wie ihr Rocksaum. 

   Mit einem ohrenbetäubenden Knall fuhr ein Blitz in einen Baum. Gerade noch rechtzeitig sprang Alice zur Seite, bevor der zerborstene Stamm neben ihr zu Boden krachte. Sie presste die Zähne zusammen und stieß einen undamenhaften Fluch aus. Mühsam kämpfte sie sich weiter, Schritt für Schritt, die Augen fest auf den Weg gerichtet, der in der Dunkelheit kaum erkennbar war. 

   Und dann hörte sie es. 

   Das Heulen. 

   Alice hielt abrupt inne. Auch das noch! Angestrengt lauschte sie in die Nacht. Da war es wieder. Und es war nicht das Heulen des Sturms. Sie wandte den Kopf und starrte angestrengt in alle Richtungen. Dort drüben – hatte sich dort zwischen den Bäumen etwas bewegt? 

   Panik stieg in Alice auf. Selbstverständlich hatte sie von der Bestie gehört, die angeblich durch Lord Hades‘ Moorwald streifte, aber sie hatte die Berichte für Märchen gehalten. Zu Hause, in England, gab es schließlich keine Bestien, nicht einmal Wölfe. Aber in Schottland? Plötzlich war sie sich nicht mehr so sicher. Einem Mann, dem die Leute den Beinamen ‚Lord Hades‘ gegeben hatten, konnte man durchaus zutrauen, einen Cerberus zu halten, der unerwünschte Besucher von seinem Land fernhielt, nicht wahr? 

   Unentschlossen stand Alice da. Sollte sie umkehren? Sie hatte die Wahl: als Ehefrau eines trinksüchtigen Gewalttäters enden – oder im Rachen einer Bestie, die sie zerfleischte? 

   Unvermittelt stiegen Erinnerungen an die vergangenen Stunden vor ihrem inneren Auge auf, und Alice entschied sich für die Bestie. Besser ein kurzes, schmerzvolles Ende als lebenslanges Leiden. 

   Und klang das Heulen nicht ohnedies eher nach einem großen Hund? Der Mastiff, der das Gestüt ihrer Schwester beschützte, heulte ebenfalls gerne den Mond an und versetzte neu angekaufte Pferde in Angst und Schrecken. Klopfenden Herzens klammerte Alice sich an diesen Gedanken und stapfte entschlossen weiter, dem Heulen entgegen. 

  Es gibt hier keine Bestie, sagte sie sich in Gedanken immer wieder vor. Es gibt hier keine Bestie



Bildnachweise
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Aufgefächertes Buch: Alicja Kaczynska