Auf dieser Seite finden Sie Beiträge zu unterschiedlichen Themen über die englische Regency-Zeit.
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Riechsalz – ein Regency-Must-Have
27.08.2024
Riechsalz bestand aus Ammoniumcarbonat (einem ammoniakhaltigen Salz, das meist aus Hirschhornsalz hergestellt wurde) und war in Apotheken erhältlich. Oft wurden ätherische Öle wie Lavendel, Zitrone oder Rosmarin hinzugefügt, um den Geruch zu verbessern. Aufbewahrt wurde Riechsalz in so genannten Riechfläschchen.
Riechsalz wurde im Regency nicht dazu verwendet, um ohnmächtige Damen wiederzubeleben, denn Ohnmachtsanfälle waren im Regency kein weit verbreitetes Phänomen. Das kam erst mit der viktorianischen Zeit, verursacht durch die sehr enge Schnürung der Korsetts, die das Atmen erschwerte. Im Regency wurde Riechsalz vor allem verwendet, um einer sensiblen Dame, deren Nerven durch z.B. eine aufregende oder schlechte Nachricht gelitten hatten, dabei zu helfen, das Unangenehme zu vertreiben, sich zu beruhigen und wieder zu konzentrieren.
Darüber hinaus bot Riechsalz Linderung bei zahlreichen Beschwerden wie Schwindel, Nervosität, Übelkeit und Kopfschmerzen. Die starken Dämpfe sollten die Sinne anregen und den Kreislauf stimulieren. Aus diesem Grund war Riechsalz kein reines Damen-Accessoire, auch Männer trugen es häufig bei sich.
Vom Zimmermädchen zur Herzogin
29.07.2024
In meinem Blogbeitrag "Ehen zwischen Adel und Bürgertum" vom 29.07.2024 habe ich mich mit der Frage befasst, wie es mit Eheschließungen zwischen Adel und Bürgertum aussah – nicht so schlecht, wie sich gezeigt hat. Doch wie sah es mit Ehen zwischen Adel und Unterschicht aus? Konnte ein einfaches Mädchen vom Lande einen Duke heiraten?
Konnte es! Auch wenn dieses Szenario sicherlich höchst selten vorkam, ist zumindest ein außergewöhnliches historisches Beispiel überliefert. Es trug sich allerdings einige Jahrzehnte vor der Regency-Zeit zu, als George II. – der Großvater des Prince Regent und späteren George IV. – regierte:
Als Henry Bridges, der Marquess of Carnarvon und ab 1744 zweiter Duke of Chandos, auf einer seiner Reisen im Pelican Inn in Newbury übernachtete, wurde er Zeuge, wie der Wirt seine Ehefrau Anne Wells versteigerte*, die zugleich als Zimmermädchen im Inn arbeitete. Henry war von ihrer Schönheit so bezaubert, dass er Anne ersteigerte. (Eine andere Version der Geschichte besagt, dass der Wirt seine Ehefrau schlug und Henry aus Mitleid mit der jungen Frau dem Wirt Geld anbot, der ihm daraufhin seine Ehefrau verkaufte.)
Anne war daraufhin einige Jahre lang Henrys Geliebte. Als Annes Ehemann 1744 starb, heirateten Anne und Henry noch im selben Jahr. Sie hatten eine gemeinsame Tochter.
Das obige Gemälde von Anne entstand 1746 und zeigt sie als Duchess of Chandos.
* Die symbolische Versteigerung der Ehefrau war in den unteren Schichten, die sich das teure Verfahren einer Scheidung nicht leisten konnten, eine Möglichkeit, eine offizielle Trennung zu vollziehen, die allerdings vor dem Gesetz nicht anerkannt wurde. Da beide Ehepartner vor dem Gesetz nach wie vor verheiratet waren, konnten sie keine neue Ehe eingehen, solange der frühere Ehepartner noch lebte. Die Praxis der Versteigerung der Ehefrau gab es vereinzelt sogar noch bis in die 1970er Jahre. Thomas Rowlandson, einer der berühmtesten Karikaturisten der Regency-Zeit, fertigte einige Zeichnungen zur Versteigerung von Ehefrauen an, beispielsweise diese (Quelle: Wikimedia).
„Wert“ von Frauen und Männern auf dem Heiratsmarkt
26.05. u. 25.06.2024
Der „Wert“ einer Braut: die Mitgift
Die Mitgift wurde im Ehevertrag festgehalten und diente in erster Linie dazu, den Lebensunterhalt der Frau im Falle ihrer Witwenschaft sicherzustellen. Das Geld wurde in Staatsanleihen („government bonds“) angelegt, die während des Regency mit 4-5% verzinst waren. Die Zinsen erhielt zeitlebens der Ehemann, der davon u.a. das Nadelgeld seiner Ehefrau bezahlte, doch wenn dieser verstarb, konnte bzw. musste die Witwe aus diesen Zinsen ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Höhe der Mitgift spielte also sowohl für sie selbst – im Falle ihrer Witwenschaft – als auch für ihren Ehemann eine Rolle, dessen Einkommen durch die Zinsen aus der Mitgift seiner Ehefrau aufgebessert wurde.
Es machte für einen Mann daher durchaus einen Unterschied, ob er eine junge Dame mit 1000 Pfund Mitgift heiratete (entspricht bei 4-5% Zinsen 40 bis 50 Pfund zusätzliches Einkommen pro Jahr) oder mit 10.000, 20.000 oder gar 30.000 Pfund – denn ab einem Einkommen von 1500 bis 2000 Pfund aus Vermögen und/oder Erträgen des Landbesitzes musste man nicht mehr für den Lebensunterhalt arbeiten gehen und zählte damit zum untitulierten Landadel (Gentry). Unter Umständen konnten die Zinserträge aus der Mitgift der Ehefrau daher ausschlaggebend dafür sein, ob ein Mann in die Gentry aufstieg oder weiterhin einer Lohnarbeit nachgehen musste. Die Höhe der Mitgift einer jungen Dame war daher allgemein bekannt, denn sie war ein schlagkräftiges „Verkaufsargument“ auf dem Heiratsmarkt.
Sir Godfreys Entscheidung in meinem Buch „Kein Baron für Miss Louisa“, statt Alice, deren Mitgift 4000 Pfund beträgt, Miss Ingram mit einer mehr als doppelt so hohen Mitgift zu heiraten, mag moralisch fragwürdig sein, in finanzieller Hinsicht ist sie aber durchaus nachvollziehbar. Auch Mrs. Bennets zwanghaftes Bestreben in Jane Austens „Stolz und Vorurteil“, ihre ledigen Töchter möglichst rasch zu verheiraten, wird vor diesem Hintergrund verständlicher. Mrs. Bennet hat eine im Ehevertrag festgelegte Mitgift von 5000 Pfund, also 200 bis 250 Pfund jährlich an Zinsen. Nach Mr. Bennets Tod müssten Mrs. Bennet und alle ihre dann noch unverheirateten Töchter von 200-250 Pfund jährlich leben – ein spärliches Einkommen verglichen mit den 2000 Pfund Einkommen, die Mr. Bennet hat.
Der „Wert“ eines Bräutigams: Titel, Macht und Geld
auch Männer hatten einen „Wert“ und damit bessere oder schlechtere Chancen auf eine gute Partie.
Am „wertvollsten“ waren natürlich die Titelträger. Je höher der Titel, desto besser, und selbstverständlich war ein reicher Titelträger besser als ein verarmter. Als nächstes kamen die erbberechtigten Söhne („heirs apparent“), die gegebenenfalls einen Höflichkeitstitel besaßen und wiederum wertvoller waren als mutmaßliche Erben („heirs presumptive“), denn diese konnten jederzeit durch einen dem Titelträger doch noch geborenen Sohn um die Erbfolge gebracht werden. Auch Männer aus der wohlhabenden Gentry und deren älteste Söhne waren eine begehrte Partie.
Nachgeborene Söhne von Adel oder Gentry waren deutlich weniger „wert“, da sie in der Regel wenig oder nichts erbten und für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen mussten. Innerhalb dieser Gruppe waren Offiziere, Geistliche und Anwälte am beliebtesten, da sie als Gentlemen galten, was bei allen anderen Berufen nicht der Fall war (zu Berufen für Gentlemen siehe entsprechender Blogbeitrag auf meiner Blogseite "Leben im Regency").
Sowohl bei Adeligen als auch Männern aus der Gentry beeinflussten darüber hinaus die familiären Verbindungen, die Herkunft bzw. Ahnenreihe (je älter und „eingesessener“ eine Familie, desto besser) und ihr politischer Einfluss ihren Wert auf dem Heiratsmarkt.
Reiche Kaufleute waren zwar teils deutlich wohlhabender als so mancher Adelige, galten jedoch nicht als Gentlemen und waren daher keine akzeptable Partie für ambitionierte junge Damen. Umgekehrt waren die Vorbehalte weniger groß – reiche Kaufmannstöchter waren durchaus auch beim (verarmten) Adel begehrt.
Der Chaperon
28.04.2024
Wenn eine junge, unverheiratete Dame sich in Gesellschaft begab, benötigte sie eine Anstandsdame, auch als „Chaperon“ bezeichnet. Anstandsdamen sorgten dafür, dass der Ruf ihres Schützlings untadelig blieb und sie einen passenden Ehepartner fanden und möglichst keinem Mitgiftjäger aufsaßen.
Üblicherweise fungierte die Mutter als Chaperon. War diese jedoch verstorben oder konnte die Aufgabe aus anderen Gründen nicht wahrnehmen, konnte eine weibliche Verwandte die Rolle übernehmen. Ein Chaperon konnte grundsätzlich nur eine verheiratete oder verwitwete Dame sein, dabei war es unerheblich, ob sie jünger oder älter als ihr Schützling war.
In Ausnahmefällen konnte die Gouvernante oder Gesellschafterin als Anstandsdame einspringen oder notfalls auch der Vater oder Bruder, nicht jedoch andere männliche Verwandte wie ein Cousin (da eine Eheschließung zwischen Cousin/Cousine ersten Grades grundsätzlich erlaubt war und sich ein potentieller Ehepartner nicht als Chaperon eignete).
Übrigens ist es stets „der“ Chaperon, selbst wenn es sich dabei in den meisten Fälle um eine Frau handelte. Das Wort geht auf das französische Wort „chape“ (Umhang, schützender Mantel) zurück, das seinerseits auf das lateinische „cappa“ (Umhang, Kappe) zurückgeht.
Vererbung von Grundbesitz
29.03.2024
Nachdem ich mich im vorigen Blogpost (siehe unten) mit den Erbschaftsregeln befasst habe, möchte ich in diesem Post auf die Unterschiede zwischen unveräußerlichem Grundbesitz (engl. „entailed property“) und frei veräußerlichem Grundbesitz (engl. "not-entailed propoerty") eingehen, die mit der Vererbung von Land verbunden sind und im Regency eine große Rolle spielten.
Unveräußerlicher Grundbesitz
Adel und Gentry bezogen ihr Einkommen hauptsächlich aus ihren Ländereien – je mehr Land, desto größer der Wohlstand der Familie und damit auch ihr gesellschaftlicher und politischer Einfluss. Um sicherzustellen, dass das Land zusammen mit dem Titel von Generation zu Generation weitervererbt wurde und nicht – beispielsweise, um Schulden zu bezahlen – von einem Erben in Teilen verkauft wurde, konnte ein Landbesitzer testamentarisch festlegen, dass sein Land unveräußerlich war.
Frei veräußerlicher Grundbesitz
Große Landgüter bestanden meist nicht nur aus unveräußerlichen, sondern auch aus frei verkäuflichen Grundstücken, die erst nach den testamentarischen Vereinbarungen erworben und dem unveräußerlichen Besitz daher (noch) nicht hinzugefügt worden waren. Sie konnten weiterhin verkauft, verschenkt oder an jüngere Söhne, Töchter oder die Witwe vererbt werden. Auch Frauen konnten daher Land besitzen, wie es Lady Catherine in Jane Austens „Pride and Prejudice“ tat. Heirateten sie, ging dieser Landbesitz allerdings in das Eigentum ihres Ehemannes über.
Nachteile unveräußerlichen Grundbesitzes
Wenn der Landbesitzer keinen Sohn oder nahen Verwandten hatte, ging sein gesamter unveräußerlicher Besitz an einen entfernten Verwandten. Seine Witwe und unverheirateten Töchter konnten dadurch in eine prekäre Lage geraten, wie dies bei den Bennets aus Jane Austens „Pride and Prejudice“ nach dem Tod von Mr. Bennet der Fall wäre. Denn in Mr. Bennets Fall gibt es eine testamentarische Bestimmung (nicht von ihm selbst, sondern einem seiner Vorfahren), dass der Landbesitz an den nächsten männlichen Verwandten geht. Da Mr. Bennet nur Töchter hat, ist dies Mr. Collins. Gäbe es diese Bestimmung nicht, würden Mr. Bennets Witwe und Töchter das Land nach seinem Tod erben und das Einkommen aus dem Landbesitz erhalten – und Mrs. Bennet müsste sich wesentlich weniger darum sorgen, möglichst rasch alle ihre Töchter unter die Haube zu bekommen!
Erbfolge
23.02.2024
Primogenitur
Die Vererbung eines Titels wurde in der Verleihungsurkunde (Adelsbrief) festgelegt, sobald ein neuer Titel geschaffen wurde. In der Regel wurde der Titel in direkter männlicher Linie, ausgehend vom ursprünglichen Peer, jeweils an den ältesten Sohn vererbt („Primogenitur“).
Rechtmäßiger vs. mutmaßlicher Erbe
Der älteste Sohn galt als rechtmäßiger Erbe („heir apparent“) des Peers. Starb dieser vor dem Vater, wurde automatisch der nächstjüngere Sohn zum Titelerben.
Gab es keinen Sohn, war der mutmaßliche Erbe („heir presumptive“) – solange dem Peer kein Sohn geboren wurde – der nächste lebende männliche Verwandte, z.B. der Bruder des Peers, ein Onkel, ein Großonkel oder dessen Sohn. Der mutmaßliche Erbe musste in jedem Fall in direkter männlicher Linie auf den ersten Peer (für den der Titel geschaffen wurde) zurückgehen. Töchter konnten ebenso wenig erben wie deren Söhne oder männliche Verwandte des Peers, deren männliche Linie nicht auf den ersten Peer selbst, sondern dessen Bruder zurückging.
Töchter als Erben
In Ausnahmefällen (z.B., wenn der zum Peer ernannte Mann keine Söhne hatte und es sehr unwahrscheinlich war, dass er noch welche bekommen würde), konnte im Adelsbrief festgelegt werden, dass seine Tochter, sein Bruder oder ein Neffe erben durfte, da der soeben geschaffene Titel andernfalls nach dem Tod des Peers sofort wieder erloschen wäre.
Enterbung und Verzicht auf den Titel
Die im Adelsbrief festgelegte Erbfolge war bindend. Man konnte seinen Erben daher nicht selbst bestimmen (oder dazu gezwungen werden, einen anderen Erben einzusetzen), nicht enterben (egal, wie missraten der Sohn war) und auch keine Bedingungen ans Erbe knüpfen, die derjenige erst erfüllen musste, um erben zu können.
Ebenso wenig konnte ein erstgeborener Sohn zugunsten seines jüngeren Bruders auf den Titel verzichten oder dazu gezwungen werden, auf den Titel zu verzichten. War der älteste Sohn nicht auffindbar, erbte er trotzdem und musste erst legal für tot erklärt werden (bloße Abwesenheit reichte nicht als Beweis).
Anzahl der Peers
24.01.2024
Es gab im Regency etwa zehn- bis zwanzigtausend Angehörige englischer Adelsfamilien, allerdings waren nur wenige davon Titelträger (Peers).
Die Zahlen für das Jahr 1810* sind wie folgt:
138 Barons
23 Viscounts
94 Earls
12 Marquesses
17 Dukes
Dazu gab es 572 Baronets, die allerdings keine Peers waren.
* Die Zahlen für die Jahre davor und danach unterscheiden sich nur geringfügig.
Die Zahlen in diesem Beitrag stammen aus Beckett, J.V.: The Aristocracy in England 1660-1914. Oxford, 1986 sowie Cannon, John: Aristocratic Century. Cambridge 1984.
Anrede von Adeligen
Teil 2: Söhne und Töchter von Adeligen
22.12.2023
Kinder von Knights, Baronets, Barons und Viscounts:
Die ältesten Kinder wurden mit Mr. + Nachname bzw. Miss + Nachname angesprochen.
Die nachgeborenen Kinder wurden im direkten Gespräch mit Mr. + Nachname bzw. Miss + Nachname oder Miss + Vorname angesprochen, sobald jedoch ein weiterer Sohn bzw. eine weitere Tochter anwesend war, wurden stets die Vornamen verwendet, um Verwechslungen auszuschließen.
Im Gespräch von Dritten über sie wurden nachgeborene Söhne mit Mr. + Vorname + Nachname, nachgeborene Töchter mit Miss + Vorname + Nachname bezeichnet. Heiratete die älteste Tochter, wurde die nächstälteste unverheiratete Tochter zu Miss + Nachname.
Kinder von Earls, Marquesses und Dukes:
Meist haben Earls, Marquesses und Dukes weitere rangniedrigere Titel.
Der nächsthöchste Titel geht als so genannter Höflichkeitstitel (courtesy title) bei Geburt an den ältesten Sohn, der daher von Geburt an Lord + Titelname ist. Gibt es weitere rangniedrigere Titel, gehen diese jedoch nicht an die weiteren Söhne. Gibt es keinen rangniedrigeren Titel, ist der älteste Sohn Lord + Nachname.
Jüngere Söhne von Earls sind Mr. + Vorname + Nachname, jüngere Söhne von Marquesses und Dukes sind Lord + Vorname oder Lord + Vorname + Nachname, niemals jedoch Lord + Nachname (dies würde bedeuten, dass er in direkter Erbfolge steht).
Sämtliche Töchter von Earls, Marquesses und Dukes werden als „Lady + Vorname“ oder Lady + Vorname + Nachname bezeichnet, nicht jedoch als Lady + Nachname (dies würde bedeuten, dass sie mit Lord + Nachname verheiratet wären).
Sie nahmen, wenn sie heirateten, den Titelnamen ihres Mannes an und wurden damit zu Lady + Titelname. Heirateten sie einen Mann ohne Titel, wurden sie zu „Lady + ihr Vorname + sein Nachname“, da sie den Höflichkeitstitel „Lady“ ihr Leben lang führen durften.
Anrede von Adeligen
Teil 1: Titelträger und ihre Ehefrauen
20.11.2023
Die korrekte Anrede von Adeligen und ihren Angehörigen war im Detail sehr kompliziert. Die Töchter und Söhne des Adels lernten diese Regeln daher von Kindesbeinen an. Außenstehenden waren die genauen Details dieser Regeln unbekannt, sodass eine falsche Anrede sofort die Person als Nicht-Angehörige des höheren Standes entlarvte.
Knights und Baronets:
Knights und Baronets zählen nicht zur Peerage, sondern zum niederen Adel bzw. der Gentry. Sie werden daher nicht als „Lords“ angesprochen und haben auch keinen Sitz im Parlament bzw. im House of Lords.
In direkter Anrede: Sir + Vorname. Niemals Sir + Nachname.
Im Gespräch von Dritten über ihn: Sir + Vorname oder, wenn es zwei oder mehr dieses Namens gab, Sir + Vorname + Nachname, um Verwechslungen zu vermeiden. Niemals Sir + Nachname.
Ihre Ehefrauen:
Sowohl in direkter Anrede als auch im Gespräch von Dritten über sie: Lady + Nachname. Niemals Lady + Vorname, denn so wurden die ledigen Töchter von Peers angesprochen.
Barons, Viscounts, Earls, Marquesses:
Barons, Viscounts, Earls und Marquesses (und Dukes) haben sowohl einen Nachnamen als auch einen Titelnamen, wobei bei Barons und Viscounts der Nach- und Titelname häufig derselbe ist.
In direkter Anrede: Lord + Titelname oder Mylord
Im Gespräch von Dritten über ihn: Lord + Titelname bzw. His lordship (wenn klar ist, wer gemeint ist)
Ihre Ehefrauen:
In direkter Anrede: Lady + Titelname oder Mylady. Niemals Lady + Vorname.
Im Gespräch von Dritten über sie: Lady + Titelname bzw. Her ladyship (wenn klar ist, wer gemeint ist). Niemals Lady + Vorname.
Dukes:
In direkter Anrede: „Your Grace“ oder (salopp und nur von anderen Peers, nicht jedoch von untitulierten Personen oder gar Dienstboten) „Duke“, niemals jedoch „Lord“ oder „Mylord“.
Im Gespräch von Dritten über ihn: „His Grace“ bzw. „the duke“ (wenn klar ist, wer gemeint ist) oder „His Grace of Titelname“ bzw. „the Duke of Titelname“.
Ihre Ehefrauen:
In direkter Anrede: „Your Grace“ oder (salopp und nur von anderen Peers) „Duchess“, niemals „Lady“ oder „Mylady“.
Im Gespräch von Dritten über sie: „Her Grace“ bzw. „the duchess“ (wenn klar ist, wer gemeint ist) oder „Her Grace of Titelname“ bzw. „the Duchess of Titelname“.
Adelstitel und militärische Ränge
Haben Adelige zusätzlich einen militärischen Rang, wird dieser vor den Titel gesetzt. Die korrekte Bezeichnung von Horatio Nelson, erster Viscount Nelson und Vizeadmiral der Royal Navy, lautete daher Admiral Lord Nelson.
Gesellschaftliche Hierarchie
25.10.2023
Grob lässt sich die Gesellschaft zur Zeit des Regency wie folgt einteilen:
- Monarch – bis zu seinem Tod 1820 war dies König George III., danach sein Sohn George IV.
- Royalty – die Mitglieder der königlichen Familie
- Duke/Duchess
- Marquess/Marchioness
- Earl/Countess
- Viscount/Viscountess
- Baron/Baroness
- Baronet (rangniedrigster vererbbarer Titel)
- Knight (nicht vererbbarer Titel)
- untitulierter Landadel (wohlhabende Landbesitzer)
- obere Mittelschicht (Offiziere der Marine und Armee, Geistliche, Anwälte (barristers), Ärzte mit Ausbildung an einer Medical School bzw. einem Hospital (physicians), wohlhabende Kaufleute und Industrielle)
- untere Mittelschicht (andere Juristen (solicitors), Ärzte ohne Ausbildung an einer Medical School bzw. einem Hospital (surgeons), Schullehrer, Geschäftsleute und andere Personen mit moderatem Einkommen)
- Handwerker & Händler
- Dienstboten
- Arbeiter
- Arme
Die titeltragenden Mitglieder der Adelsfamilien vom Baron aufwärts sowie deren Ehefrauen wurden als "Peers" bezeichnet.
Baronets und Knights zählten nicht zu den Peers, sondern bildeten zusammen mit dem untitulierten Landadel die so genannte "Gentry".
Geld und Einkommen - Teil 2
16.09.2023
Aufteilung der Haushaltsausgaben
Samuel und Sarah Adams empfehlen in ihrem 1825 erschienenen Buch „The Complete Servant“, vom Einkommen etwa 25% für Bedienstete und Kutschen inklusive Kutschpferden und Livreen auszugeben, der Rest entfällt auf Lebensmittel, Haushaltsartikel, Kleidung, medizinische Versorgung, Nadelgeld für die Ehefrau, Taschengeld für die Töchter, Miete, Steuern, Reparaturen, private Ausgaben inkl. Unterhaltung etc.
Wieviel verdienten Dienstboten?
Das Jahreseinkommen von Hausangestellten betrug je nach Position im Haushalt etwa 10-15 Pfund (z.B. Küchen- und Hausmädchen) bis mehrere Dutzend Pfund (z.B. Haushälterin, Butler, Köchin). Französische Köche waren ein Statussymbol und konnten 80 Pfund und mehr verdienen. Eine Gouvernante erhielt je nach Ausbildungsgrad und Erfahrung etwa 50 bis 100 Pfund, manchmal bis zu 200 Pfund.
Wieviele Dienstboten konnte man sich leisten?
Neben dem Lohn hatte der Dienstgeber die Kosten für Essen, Dienstkleidung/Uniform und medizinische Versorgung zu tragen. Dies galt es bei der Frage, wieviele Dienstboten man sich leisten konnte, zu berücksichtigen.
Bei einem Einkommen von 200 Pfund hatte man 50 Pfund (25%) für Bedienstete zur Verfügung und konnte sich davon ein bis zwei Dienstmädchen leisten, bei einem Einkommen von 500 Pfund eine Köchin, ein Dienstmädchen und ein Kindermädchen sowie einen Diener, der in Haus und Garten half. 1000 Pfund Einkommen ermöglichten darüber hinaus einen Lakaien, eine Kutsche, Pferde und Kutscher sowie ein weiteres Dienstmädchen.
Mit etwa 1500-2000 Pfund konnte man zehn bis elf Bedienstete beschäftigen: eine Köchin, eine Haushälterin, zwei Haus-, ein Küchen- und ein Kindermädchen sowie je einen Kutscher, Stallknecht, Lakaien, Gärtner und Diener für Garten und Stall. Ein Einkommen von 2000 bis 3000 Pfund ermöglichte zusätzlich einen Butler, eine Zofe, einen Kammerdiener, einen weiteren Stallknecht sowie ein bis zwei weitere Dienstmädchen.
4000 Pfund und mehr ermöglichten unbegrenzten Komfort. Man konnte sich mit diesem Geld nicht nur die oben genannten Dienstboten sowie zusätzlich einen zweiten Lakaien, einen Hausverwalter, einen weiteren Gärtner und weitere Dienstmädchen leisten, sondern während der Saison auch ein Haus in London mieten und die erforderlichen Dienstboten sowie die üblichen sozialen Aktivitäten bezahlen.
Wollte man neben den oben genannten Dienstboten eine Gouvernante oder einen Tutor einstellen, musste man je nach Einkommen gegebenenfalls Abstriche bei den übrigen Dienstboten machen, denn Gouvernante und Tutor zählten wie Butler und Haushälterin zu den bestbezahlten Angestellten.
In reichen Haushalten hatten die Kinder darüber hinaus oft spezielle Lehrer wie Musik- oder Tanzlehrer, und es wurden weitere Dienstboten wie ein Gutsverwalter, ein Jagdaufseher, ein oder mehrere Jäger, Vorreiter, Kammerzofen und sonstige Dienstboten eingestellt.
Die Angaben in diesem Beitrag stammen aus dem Werk „The Complete Servant“ (1825, online verfügbar über das Projekt Gutenberg). Die Informationen zum Gehalt von Gouvernanten stammen aus „Private Education“ (2. Aufl. 1816, online verfügbar über Google Books).
Geld und Einkommen - Teil 1
13.08.2023
Währungseinheiten
Goldmünzen (selten; meist als Banknoten im Umlauf):
1 Guinea (bis 1816) = 21 Shilling (d.h. 1 Pfund 1 Shilling)
1 Souvereign (ab 1817) = 1 Pfund
1 Pfund = 20 Shilling bzw. 240 Pennies
Silbermünzen:
1 Crown = 5 Shilling
1 Half Crown = 2 Shilling 6 Pennies
1 Shilling = 12 Pennies
1 Sixpence = 6 Pennies
Kupfermünzen:
1 Tuppence = 2 Pennies
1 Pence/Penny = 2 Halfpennies = 4 Farthings (Quarter Pennies)
1 Halfpenny = 2 Farthings
1 Farthing = Quarter Penny
Gold wurde während der napoleonischen Kriege von der Regierung benötigt, um die Kriegskosten zu bezahlen. Nach dem Krieg fluktuierte der Goldpreis teils stark, sodass der Wert einer Goldmünze oft ihren Nennwert überstieg, daher wurden sie häufig eingeschmolzen.
Aus diesen Gründen waren während des Regency kaum Goldmünzen im Umlauf, stattdessen verwendete man Banknoten.
Einkommen verschiedener Klassen und Berufsgruppen
Das Jahreseinkommen von Hausangestellten betrug je nach Position im Haushalt wenige Pfund (z.B. Küchenmädchen) bis mehrere Dutzend Pfund (z.B. Haushälterin, Butler), dazu Kost und Logis. Fabrikarbeiter verdienten jährlich abhängig von Alter und Tätigkeit ebenfalls einige Dutzend Pfund, Fabrikarbeiterinnen etwa die Hälfte.
Die Armutsgrenze lag bei ca. 50 Pfund/Jahr, ein Mittelklasseeinkommen betrug 250 Pfund/Jahr. Max. 700-1000 Pfund konnte man durch berufliche Tätigkeiten verdienen, reiche Kaufmannsfamilien kamen mitunter auf über 2000 Pfund. Mit etwa 1500-2000 Pfund konnte man von den Zinsen (der Zinssatz betrug 4-5%) und den Einnahmen der Besitztümer inkl. Pachteinnahmen leben und musste für den Lebensunterhalt daher nicht arbeiten - damit gehörte man zur Gentry.
Das durchschnittliche jährliche Einkommen der wohlhabendsten Kaufmannsfamilien betrug laut Zensus des Jahres 1801 etwa 2500 Pfund, das der Adelsfamilien etwa 8000 Pfund. Einer der reichsten Männer Englands, William Cavendish, Duke of Devonshire, hatte ein jährliches Einkommen von ca. 73.000 Pfund.
Doch nicht nur Adelige waren reich. Der Verleger Thomas Norton Longman (vom Verlag Longman, Hurst, Rees, Orme and Brown – derselbe Verlag, in dem Nicholas in meinem Band „Kein Baron für Miss Louisa“ sein Buch veröffentlichen möchte) starb 1842 und hinterließ seiner Witwe ein Vermögen von 200.000 Pfund.
Sehbehelfe
11.07.2023
Augen mit optischen Hilfsmitteln wie Brille, Fernglas, Fernrohr, Lupe oder Mikroskop bezeichnete man als „bewaffnetes Auge“. Demgegenüber gab es auch das „unbewaffnete Auge“.
Bis zum Ende des Mittelalters wurden Sehhilfen aus Kristallen wie Quarz und Beryll (daher die Bezeichnung „Brille“) gefertigt, die in reiner Form farblos und transparent sind. Die Herstellung reinen, transparenten Glases als Ersatz für Beryll gelang erst gegen Ende des Mittelalters in Italien.
Lupen aus geschliffenen Kristallen gab es bereits seit der Antike. Ende des 18. Jahrhunderts ging von Frankreich die Mode aus, eine hübsch gefasste, handliche Lupe bei sich zu tragen – zum Beispiel an einer Kette um den Hals (Damen) oder am Frack befestigt (Herren) –, um damit kleine Dinge und Details oder auch Personen genauer betrachten zu können.
Bei diesen Lupen, engl. quizzing glasses, handelte es sich im Gegensatz zum Lorgnon (siehe unten) und dem Monokel (das erst im späteren 19. Jahrhundert beliebt wurde) um reine Vergrößerungsgläser und nicht um optische Korrekturhilfen für individuelle Sehschwäche.
Eine Variante der Nietbrille war die Scherenbrille, die man von unten vor die Augen hielt und deren Form an eine Schere erinnert. Auch diese Brillenform war bereits seit dem Mittelalter bekannt. Der Scherenbrille ähnlich ist die Lorgnette (siehe unten), deren Gläser jedoch an einem Stiel befestigt sind.
Schläfenbrillen kamen im 18. Jahrhundert auf und waren die ersten Brillen mit seitlich angebrachten, einklappbaren Bügeln, die allerdings noch nicht bis hinter die Ohren reichten, sondern lediglich bis zu den Schläfen, gegen die sie drückten. Sie stellten die Übergangsform zwischen den bis dahin bekannten Niet- und Scherenbrillen und den heute verwendeten Ohrenbrillen dar.
Ab dem 18. Jahrhundert gab es Ohrenbrillen, bei denen die Bügel auf den Ohren auflagen und durch einen Knick im Bügel am Hinterkopf Halt fanden. Auch eine Variante, bei der die Bügel hinter den Ohren nach unten abgeknickt werden konnten, kam bald auf.
Das Brillentragen in der Öffentlichkeit galt bei Frauen allerdings als unattraktiv, daher bevorzugten diese eine Lupe oder ein Lorgnon und trugen Brillen lediglich zu Hause beim Lesen oder Nähen.
Lorgnon und Lorgnette entstanden gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Dabei wurden die Brillengläser an einem Stiel befestigt und mit diesem vor die Augen gehalten. Die Stielbrille konnte aus einem Glas (Lorgnon) oder zwei Gläsern (Lorgnette) bestehen. Die Gläser waren meist keine einfachen Vergrößerungsgläser, sondern Korrekturlinsen. Dies unterscheidet das Lorgnon von der Lupe.
Neben den bisher genannten Sehbehelfen, die dazu dienten, in der Nähe möglichst gut zu sehen und individuelle Sehschwächen auszugleichen, gab es auch Sehbehelfe, um ferne Dinge genauer betrachten zu können. Dazu zählten das Fernrohr sowie das Fernglas, meist für ein Auge (Monokular), und das Opernglas. Als Erfinder der optischen Instrumente zur Fernsicht gilt Hans Lippershey, der Anfang des 17. Jahrhunderts das Fernrohr erfand.
Bildnachweise
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Textquellen
Meine Recherchen stützen sich vorwiegend auf die folgenden Quellen. Je nach Thema ziehe ich fallweise auch weitere Literatur (wissenschaftliche Fachartikel, Nachschlagewerke etc.) heran.
Literatur:
- Ian Mortimer, Im Rausch des Vergnügens. Eine Reise in das England von Jane Austen und Lord Byron (Verlag Piper, 2022)
- Jennifer Kloester, Georgette Heyer’s Regency World (Verlag Sourcebooks, 2010)
Blogs:
- „Regency Redingote“, https://regencyredingote.wordpress.com/ (2019 eingestellt)
- „Regency Reader“, https://regrom.com/
- „Jane Austen’s World“, https://janeaustensworld.com
- „Risky Regencies“, http://www.riskyregencies.com
- „Regency Researcher”, http://www.regencyresearcher.com
- „Historical Hussies”, http://historicalhussies.blogspot.com
- „Reading the Regency”, https://www.wattpad.com/story/48880602-reading-the-regency
- Blog des Jane Austen Centre, https://janeausten.co.uk/
sowie diverse Blogs von Regency-Autorinnen